Kriegsende in Lollschied

Auszug aus dem Bericht von Manfred Keiling:
„Kriegsereignisse und Kriegsende auf dem Einrich“
Lollschied und Umgebung betreffend

Von Braubach her erreichten die US-Truppen am 26. 3. Dachsenhausen und Miehlen» und am 27. 3. Bad Ems, sowohl über die Denzerheide (1. US-Armee) wie auch über das Forsthaus (3. US-Armee). Ebenfalls am 27. 3. wurde über Schweighausen Nassau erreicht, Marienfels und Nastätten wurden eingenommen. Am Abend des 27.3. verlief die vorderste amerikanische Frontlinie etwa auf der Linie Nassau - Bergnassau - Berg - Hunzel - Pohl - Bettendorf - Buch. Am Vormittag des 28. März 1945 überschritten die US-Truppen in breiter Front die Bäderstraße. Bereits am Vorabend war ein Versuch, mit leichten Panzerstreitkräften über die Höhenstraße vorzustoßen, gescheitert. Eine deutsche Flak-Batterie mit 8,8-Kanonen hatte am 26. 3. oberhalb von Obertiefenbach zwischen Dorf- und Bäderstraße für den Erdkampf Stellung bezogen. Etwa gegen 17.00 Uhr tauchten, von Bettendorf her kommend amerikanische Panzerspähwagen aus dem Wald neben der Straße von Bettendorf zur Bäderstraße auf einem Waldweg auf. Der erste Panzerwagen wurde sofort beschossen, erhielt vier Treffer und brannte völlig aus. Daraufhin zogen sich die nachfolgenden gepanzerten Fahrzeuge zurück. Die Flak-Kanonen feuerten ihnen nach, nahmen auch das Dorf Pohl unter Feuer, in das die Amerikaner etwa zur gleichen Zeit eingerückt waren. Als Folge lag die BatteriesteIlung von nun an bis zum nächsten Morgen unter schwerem amerikanischen Artielleriefeuer, das zum Glück in Obertiefenbach kaum Schaden anrichtete. In der Nacht zum 28. 3. requirierten die Flak-Soldaten die letzten noch einsatzfähigen Pferde in Obertiefenbach, spannten sie vor ihre Lafetten und Wagen und rückten am Vormittag nach Osten ab. Einen Großteil der Wagen und Geräte ließen sie wenig später bei Oberfischbach im Wald zurück. Östlich von Katzeneinbogen stand noch einige Zeit nach der Kapitulation eine 8,8-Kanone auf einem Feldweg.

Am Abend des 27. 3. hatte das VIll. US-Korps, von Hunzel am Waldrand entlang fahrend, Pohl erreicht. Den ganzen März über waren in Pohl deutsche Soldaten einquartiert. Nun wurde das Dorf an der Bäderstraße mit seiner Kreuzung zur Durchgangsstation des deutschen Rückzuges. In großen Scharen hasteten deutsche Soldaten durch das Dorf. Geschütze, Pferdewagen, Fahrzeuge aller Art standen in den Ortsstraßen. Die meisten verschwanden in der Nacht zum 27. 3. Als am 27. 3. gegen Abend etwa um 17.00 Uhr amerikanische Panzer und Fußtruppen in Pohl einrückten und die Kreuzung zur Bäderstraße überquerten, wurden sie von Obertiefenbach und Roth her beschossen, Flak-Granaten schlugen überall im Dorf ein. Mehrere Häuser wurden schwer beschädigt. Eine Pohler Einwohnerin, eine ältere Frau, wurde in ihrem Hof durch eine Granate fürchterlich zugerichtet und starb unter schrecklichen Qualen.
Zwei junge deutsche Soldaten, gerade von den Amerikanern aus den Kellern geholt und gefangenengenommen, wurden schwer verwundet. Die Amerikaner, die zu Fuß durch Pohl vorgingen, sprangen während des Artilleriebeschusses deckungssuchend in die KeIler zu den dort harrenden Pohlern. Hier und da schenkten sie dabei anwesenden verängstigten Kindern ein Stück Schokolade. Draußen auf den Straßen und vom Ortsrand her erwiderten die Amerikaner mit Panzerkanonen das Feuer. Nach und nach verstummten die deutschen Kanonen. Dafür rauschten die Granaten der amerikanischen Artillerie nun über die Köpfe der Pohler hinweg.

Am Vormittag des 28. 3. rückten die Streitkräfte des amerikanischen Angriffszentrums in Obertiefenbach ein. Hier teilte sich die Panzerkolonne: Eine Abteilung zog Richtung Niedertiefenbach. Dort hatten sich hinter der Kirchenmauer deutsche Soldaten verschanzt. Im Pfarrhaus soll eine Stabsabteilung oder Feuerleitstelle mit Funkgeräten gewesen sein. Zwischen Ober- und Niedertiefenbach fuhren die amerikanischen Panzer nebeneinander in einer Linie auf der Anhöhe auf und nahmen Pfarrhaus, Kirche und Dorf Niedertiefenbach in direkten Beschuß. Es gab Gebäudeschäden. Ein deutscher Soldat fiel. Er wurde später auf dem Friedhof in Niedertiefenbach beerdigt. Der Rest des deutschen Trüppchens flüchtete zum Hüttenwald bei Hof Bleidenbach. Die Niedertiefenbacher Turnhalle ging in Flammen auf. In ihr lagerte Versorgungsmaterial der deutschen Wehrmacht. Panzer fuhren durch alle Ortsstraßen.
Man holte die Ortseinwohner aus den Bunkern, in die sie sich geflüchtet hatten. Sobald sie konnten und durften, versuchten sie, für ihren eigenen Bedarf aus der brennenden Turnhalle zu retten, was zu retten war.

Auch von Pohl her zogen am Morgen des 28. 3. die Amerikaner mit aufgesessener Infanterie über Lollschied nach Niedertiefenbach.
Kurz vor Niedertiefenbach saß die Infanterie ab, schwärmte aus und marschierte in weit auseinandergezogener Schützenlinie über
die Wiesen und Felder nach Roth hoch, während die Panzer ihr Vorgehen absicherten. Kurz nach 11 Uhr erreichten sie Roth. Bei dem vorangegangenen Beschuß erlitt eine Frau im Hof der heutigen Rother Gastwirtschaft Kaiser schwerste Verletzungen durch eine Granate. Sie starb trotz aller Bemühungen eines amerikanischen Truppenarztes am nächsten Tag. Fast alle Häuser des kleinen Einrichdorfes wurden durch den Artilleriebeschuß beschädigt. Um die Mittagszeit vereinigten sich die durch Roth marschierenden Streitkräfte mit den von Niedertiefenbach weiterziehenden am Oberwald und bewegten sich dann auf der Straße am Hof Bleidenbach vorbei in Richtung Katzeneinbogen und Klingelbach.

Das amerikanische Kontingent, das am Vormittag in Obertiefenbach eingerückt war, hatte sich in zwei Marschkolonnen für die weitere Offensive geteilt. Während die erste nach Niedertiefenbach (s.o.) abschwenkte, marschierte die zweite über die alte Miehlener
Straße über den Göttersberg zur Ringmauer hoch und durch den Wald an der Weißeler Höhe vorbei zur Einmündung des Weges in die Rother Chaussee am heutigen Wanderparkplatz Weißeler Höhe. Hier trafen sie mit den von Roth und Niedertiefenbach kommenden Truppenteilen zusammen.

Die Kriegstage in Lollschied und das Ende

Auch in Lollschied hatte der Krieg seine Spuren hinterlassen. Schon im Sommer und im Herbst des Jahres 1945 war der Luftkrieg in unserer Gemeinde angekommen. So fielen Sprengbomben auf den Gemarkungsbereich „Auf dem Berg“ und viele Brandbomben in den „Brandenburger“.  1968 wurde hier noch eine Stabbrandbombe ausgeackert und lag tagelange auf dem Acker herum. Jagdbomber beschossen „Auf dem Winkel“ einen französischen Kriegsgefangenen, der hier mit Kühen das Feld ackerte. Die Kühe wurden erschossen. Er rettete sich in eine Wasserverrohung, aus der er kaum noch heraus zu ziehen war. Ein russischer Kriegsgefangener wurde bei Feldarbeiten auf dem „Linsenberg“ beschossen. Es wurde sogar eine Bombe abgeworfen. Es war aber kein Schaden entstanden. Jahrzehntelang war aber in der Wiese eine Störstelle, auf der nur Brennesseln wuchsen und anzeigten, dass hier alles durcheinander gebracht wurde. Auf Geheiß wurde auch ein Luftschutzstollen angelegt, der sich im Steinbruch unterhalb des Dorfes befand. Dieser war ca. 5 m lang und knickte dann links herum rechtwinklig ab um dann noch einmal ca. 6 – 8 m Stollen zu bilden.  Der Stollen bestand bis in die neunziger Jahre, brach dann teilweise ein und wurde 1995 zugeschüttet.  Am XXXXXX 1945  fand ein Luftkampf eines einzelnen deutschen Jägers mit einer überlegenen Anzahl gegnerischer Flugzeuge statt. Im Kampfverlauf wurde der Jäger getroffen und stürzte dann im vorderen Bereich des Einfalls ab. Der Pilot konnte sich mit dem Fallschirm retten. Er hing mit seinem Schirm in Tannen und rief den Lollschiedern, die nachschauen wollten, was da vom Himmel gefallen war, zu: „Nicht schießen, ich bin Deutscher“. Wie berichtet wurde, soll er kurz darauf wieder geflogen sein und hat auch wohl den Krieg überlebt. Horst Holzhäuser  (Bornehannesse) und Reinhold Friedrich (Bottermariellesse), beide Jahrgang 1929 und somit noch keine 16 Jahre alt, wurden Anfang 1945 zur Wehrmacht eingezogen und sollten noch einmal den Endsieg sicherstellen. Im Ausbildungslager in Niederbrechen wurden beide an Panzerfaust und Maschinengewehr ausgebildet.  Nach einer Woche büchsten die beiden aber aus und schlugen sich nächtens noch vor Kriegsende nach Lollschied durch. Bei ihrem mehrtägigen Rückmarsch mussten sie immer damit rechnen Militärpolizei in die Hände zu fallen. Man weiß, dass diese „Kettenhunde“ auch noch in der Spätphase des Krieges keine Gnade kannten und Deserteure kurzerhand erschossen.

Lollschied am 28.03.1945

In Lollschied hielten sich die Amerikaner nicht lange auf. Von Zeitzeugen wird berichtet, dass vor dem Einmarsch der Amerikaner um 10.00 Uhr ein Beschuss des Ortes vorausging. Dieser richtete aber nur geringe Schäden an. Einschussspuren in Scheunen waren aber noch lange Zeit erkennbar. Als nach dem Beschuss keine Reaktion erfolgte, setzten sich die Panzer von der Borngasse her kommend in Bewegung. Die Bevölkerung war zu dieser Zeit in ihren Kellern und wartete bangend auf den Einmarsch der gegnerischen Soldaten. Berichtet wird von Minchen Friedrich (Bottermariellesse) dass sie sich lauthals darüber aufregte, dass ein amerikanischer Panzer das Hoftor des Gehöftes beschädigte („Dat hätt jo net sei misse“).  Die aufgesessene Infantrie schwärmte aus und holte die Hausbewohner aus ihren Kellern, um dann die Häuser nach Soldaten zu durchsuchen. Die Familien hatten alle den „Adolf“ im Wohnzimmer abgehängt, damit die Amerikaner nicht provoziert wurden. Tatsächlich hatte es einen deutschen Feldwebel nach Lollschied verschlagen, der sich mit zwei Kameraden den amerikanischen Truppen ergab. Berichtet wurde, dass die amerikanischen Soldaten sofort ein Maschinengewehr in Stellung brachten und evtl. Kampfhandlungen befürchteten. Als aber alles ruhig blieb, setzten sie ihren Marsch gegen Niedertiefenbach fort. Zeitzeugen erinnern sich, dass noch Tage nach dem Einmarsch ein kleiner Trupp Soldaten aus dem Hasenbachtal hoch nach Lollschied kam und nach Essen fragte. Sie wollten sich durch die Linien in ihre Heimat schlagen. Lollschied hatte seinen Blutzoll für diesen Krieg mit 9 Gefallenen gezahlt. Die Kriegsgefangenen kamen nach und nach wieder  nach Hause. Die Auswirkungen des Krieges zeigten sich aber auch durch die vielen Flüchtlinge, die entwurzelt nun in Lollschied strandeten.