Einleitung
Für die Darstellung der Kriegsereignisse auf dem Einrich in der Schlußphase des II. Weltkrieges, insbesondere des 28. 3. 1945, ist die Quellenlage, was die schriftlichen Quellen betrifft, recht dürftig. In der im Quellennachweis angegebenen umfassenderen Literatur
(13, 15, 17) finden Berichte zum Verlauf der Endphase des Krieges auf dem Einrich keinen Niederschlag, oder sie werden nur mittelbar angesprochen. Für die Verfasser (w. Haupt 13; W. K. Michels 15; F. Schreiber 17) war der hiesige Kriegsschauplatz wohl zu gering und unbedeutend, um ausführlich gewürdigt zu werden. Ob in den USA eine Beschreibung der Kriegsgeschichte des VIII. US-Korps vorliegt, ist hier unbekannt. Eine zusammenfassende Arbeit über die Kriegsereignisse im gesamten Rhein-Lahn-Kreis ist nicht vorhanden. So ist der Bearbeiter bezüglich der schriftlichen Quellen auf Einzeldarstellungen verwiesen, wie sie verdienstvoll erweise in den Heimatjahrbüchern des "Rhein-Lahn-Freundes" (1, 2, 3, 4, 5, 6) veröffentlicht wurden. Die oft recht emotionsträchtigen Schilderungen persönlicher Kriegs- erlebnisse sind als Materialsammlung wertvoll, weil sie für die Darstellung unseres Themas eine Fülle von Daten und Einzelheiten liefern. Allerdings konnten Namen und persönliche, oft abenteuerliche Erfahrungen aus Gründen einer objektiven, rein sachbezogenen Darstellung nur in Ausnahmefällen in den Text einbezogen werden.
Für eine genauere, ortsspezifisch exakte Auflistung der Ereignisse erwiesen sich die inzwischen recht häufig erarbeiteten Ortschroniken als sehr fruchtbar (7,8,9,10,11,12). Wegen ihrer sachlichen, umfassenden, aber lebendigen und bewegenden Darstellung aus der Feder Richard Heimanns seien hier die entsprechenden Abschnitte der Chronik von Marienfels (10) besonders hervorgehoben.Bei den ungedruckten Quellen sind die Schulchroniken mit einer Ausnahme aus naheliegenden Gründen ziemlich unergiebig. Gut zu verwerten war ein noch unveröffentlichter Text von A. Perabo zu den Ereignissen in Pohl. Die umfangreichste und - gerade wegen ihres aus persönlicher Sicht geschriebenen Berichts - beste Darstellung der Ereignisse auf dem Einrich findet sich bei G. Schilp: 800 Jahre Ackerbach (27). Aus dieser Arbeit flossen eine große Zahl von Nachrichten, besonders aus Ackerbach, in den Text ein.
Die wertvollsten Quellen waren die Aussagen von Augenzeugen aus den Einrichdörfern. Die Zeitzeugen von damals sind heute Frauen im Alter zwischen 60 und 85 und Männer zwischen 60 und 65. Ältere Männer waren zu jener Zeit als Soldaten im Krieg, die 10 bis 15-jährigen Knaben waren in manchen Häusern die einzigen männlichen Familienmitglieder. Für alle Augenzeugen, denen der Verfasser hiermit nochmals seinen Dank aussprechen möchte, waren Luftkrieg und Einmarsch der Amerikaner am 28. 3.45 bewegende und tiefbeeindruckende Erlebnisse, die sich ihnen unvergeßlich ins Gedächtnis eingegraben haben. Die im Text mit Klammern angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Zahlen zum Quellennachweis. Aussagen von Augenzeugen, wie sie dem größten Teil des Textes zugrunde liegen, sind nicht besonders gekennzeichnet.
Das letzte Kriegsjahr 1944/45
Solange die Sondermeldungen des Oberkommandos der Wehrmacht immer wieder von neuem den Eindruck erweckten, der "Endsieg" sei nahe, bemühte sich die Bevölkerung auch hier auf dem Einrich, trotz aller Opfer durchzuhalten. Das Kriegsglück hatte sich für alle erkennbar im Februar 1943 mit der Katastrophe von Stalingrad gewendet. Nun richtete sich alle Hoffnung auf die versprochenen Wunderwaffen. Als aber die sogenannten V-Raketen die Lage nicht wesentlich ändern konnten, wuchs der Zweifel am glücklichen Ausgang des Krieges. 14)
Dafür nahmen die Belastungen ständig zu. Mit der Verkündung des "totalen Krieges" am 18. 2. 43 verwandelte sich ganz Deutschland in ein Zwangsarbeitslager. Die Zahl der Kriegsopfer wuchs und wuchs. Mit Hoffen und Bangen sah jede Familie täglich dem Briefträger entgegen. Allein - um ein Beispiel zu nennen - aus dem kleinen Weiler Ackerbach mit seinen 7 Häusern kamen vier Männer als Soldaten im Krieg um. 27) Dazu kamen immer häufigere und immer schwerere Bombenangriffe auf die Städte, Millionen verloren ihre Wohnungen. Hunderttausende kamen in Bombenhagel und Phosphorflammen um. Auch der Einrich bekam den Luftkrieg zu spüren. 1940 fiel die erste Bombe in unserer Gegend in der Nähe von Laufenselden.su XXX 1942 ging eine Luftmine bei Eisighofen am Wasserhäuschen nieder.27) Die Städte der Umgebung wurden das Ziel alliierter Luftangriffe. "Ringsum leuchteten, Christbäumen gleich, die zur Erde fielen, brennende Phosphorkanister auf und erhellten den nächtlichen Himmel".21) In der Nacht vom 8. zum 9. September 1942 prasselten - wahrscheinlich auf dem Rückflug eines Bombengeschwaders von Frankfurt - auf die Ortsmitte von Seelbach eine Unmenge von Brandbomben nieder. Der Angriff kam völlig unerwartet. Zwei Seelbacher Einwohner kamen ums Leben, es gab mehrere Verletzte, ein Drittel der Dorf- gebäude wurde zerstört. 12) Am 11. 4. 43 wurden im Feld bei Gutenacker 200 Brandbomben abgeworfen. Am gleichen Tag fielen erstmals Bomben auf Nastätten. Sie richtete jedoch nur geringen Schaden an. II ) Überall in den Dörfern begann man nun mit dem Bau von Stollen, Erdbunkern und Schutzgräben, in denen die Bevölkerung bei Luftangriffen Schutz finden konnte. In Klingelbach und Katzeneinbogen sind die Eingänge zu den Luftschutzstollen noch neben der Straße zu sehen, die meisten anderen sind inzwischen zugeschüttet worden oder eingestürzt. Volksgasmasken wurden ausgegeben, Keller abgestützt, Handpumpen und Wassereimer sowie Feuerplatsche auf jeden Speicher gestellt. Strikte Einhaltung der Verdunklungsvorschriften wurde schon seit Kriegsbeginn beachtet. Die in den Städten Ausgebombten wurden in die Dörfer evakuiert. Behelfsheime wurden gebaut. Von ihnen stehen noch zwei in Herold und KatzeneInbogen. Schüler und Lehrer Frankfurter Schulen wurden in den Einrichdörfern Dörsdorf, Berghausen, Eisighofen, Reckenroth, Hasenberg und Niedertiefenbach untergebracht. t"
Gegen Ende des Jahres 1943 stieg die Zahl der Luftangriffe auch auf dem Einrich an. Hinter dem Stein wäldchen stürzte der erste abgeschossene Bomber ins Ebertshäuser Feld nahe der Katzenelnboger Waldgrenze. Zweimal fielen Bomben bei Schönborn. In der Gemarkung von Eisighofen fielen an der damals noch vorhandenen Kemel-Limburger Straße zwischen Schnepfenkopf und Reckenroth mehrere Bomben ins Feld. Im Dezember 1943 wurde ein deutscher Nacht jäger im Luftkampf abgeschossen und stürzte zwischen Allendorf und Berghausen unweit des Sauerborn ab.27) Wenige Tage später stürzte ein US-Bomber bei der Waldeslust" ab. Nur ein Besatzungsmitglied überlebte. Die Toten wurden auf dem Retterter Friedhof beigesetzr.s?i Mehr und mehr und in immer kürzeren Zeitabständen bekam der Einrich im Jahre 1944 den Krieg zu spüren. Am 27. 1. 44 wurde ein englischer viermotoriger Bomber vom Typ „Lancaster" der 12. und 626. Squadrons der Royal Air Force abends gegen 23 Uhr auf dem Rückflug von Berlin über dem Einrich von einem deutschen Nacht jäger abgeschossen und stürzte in den Klingelbacher Wald auf der "Horst" in der Nähe der "Dicken Buche" ab. 7 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben und wurden
auf dem Friedhof in Klingelbach bestattet. Nur der Navigator überlebte den Absturz.v Um ihn vor möglicher Gewalt durch aufgebrachte Bevölkerung ("Terrorflieger!") zu schützen, bestand ein gerade in Urlaub weilender deutscher Soldat aus Katzeneinbogen auf Einhaltung der Regeln der Genfer Konvention. Er ließ die Brandwunden des verletzten Engländers ärztlich versorgen und sorgte zusammen mit dem Katzenelnboger Bürgermeister für ein Nachtlager und die korrekte Übergabe an die Militärbehörden. Der Soldat, R. Balzer aus KatzeneInbogen, wurde 1984 von den Veteranen jener Air-Force-Einheit zum Ehrenmitglied ernannt als. Dank für seinen Einsatz für Recht und Fairness. Während des Frühjahrs fielen mehrmals Bomben in der Nähe von Dörsdorf, einmal am Ackerbacher Weg, ein zweitesmal im Wald und vor dem Waldrand zwischen Ackerbach, Eisighofen und Dörsdorf. Mehrere Bomben wurden zwischen Berndroth und der "Waldeslust" an der Straße abgeworfen. 27) Ebenso fielen einige unweit des Schnepfenkopfes bei Eisighofen. Die Bombentrichter sind heute noch oberhalb des Umspannwerkes im Waldrandbereich zu sehen. Ab 14. September 1944 griffen Jagdbomber der 354. Jagdbombergruppe des XIX. Taktischen Luftkommandos der US-Army Ziele im Taunusgebiet an. Ab Dezember 1944 erhielten die Flugzeugführer Auftrag zur "freien Jagd"18). Von da an war nichts mehr, was sich im Freien bewegte, seines Lebens sicher. Tiefflieger beschossen zwischen Ackerbach und dem Hasenberger Hof Schüler der aus Frankfurt evakuierten Schule.s?' Mit dem Erreichen der deutschen Westgrenze durch die alliierten Armeen stieg die Zahl und die Dauer der Alarmierungen bei Luftangriffen im September 1944 von 32 Stunden im August auf 107 Stunden. Ein ungeheurer Knall schreckte die Einricher arn frühen Morgen des 2. April 1944 aus dem Schlaf. In Kördorf gingen fast alle nach Norden weisenden Fensterscheiben zu Bruch. Bis nach Ackerbach war die Explosion zu spüren. Im Wald beim Köbeler Hof, nahe der Attenhäuser Gemarkungsgrenze. waren alle Bäume in einem beträchtlichen Umkreis umgestürzt und zerfetzt. Man konnte sich hier das Ereignis lange Zeit nicht erklären, da auch Wehrmachts berichte und Nachrichten sich ausschwiegen.wi Erst der Wehrmachtsbericht vom 8. November 1944 erwähnte die neue Wunderwaffe V 2. Es handelte sich bei der Explosion wohl um den Fehlstart einer V-Waffe in der Erprobungsphase. Ob es eine V 1 oder V 2 war, läßt sich nicht mehr feststellen. Im Schönborner Wald wurden um diese Zeit V Abschußrampen gebaut. Die Straße zwischen Schönborn und Birlenbach wurde für den Raketentransport zu den Abschußrampen verbreitert. Der Wehrmachtsbericht meldete am 16. Juni erstmals den Beschuß Englands mit V 1.6) Am 12. 5. 44 stürzte ein alliierter Bomber neben dem Pfarrhaus von Niederbachheim ab, nachdem alle Besatzungsmitglieder mit dem Fallschirm abgesprungen waren. Scheune und Stallungen gingen in Flammen auf. Das Pfarrhaus wurde schwer beschädigt.w Am gleichen Tag gab es ein Todesopfer in Holzhausen, wo eine Frau
von dem abgeworfenen Benzintank eines amerikanischen Flugzeuges getroffen und getötet wurde.»
Ebenfalls am 12.5. und auch am 18.5. und 28. 5.44 wurde Limburg angegriffen und bombardiert. I) Anfang September fielen in der Umgebung von Roth und Niedertiefenbach eine größere Anzahl von Bomben ins Feld. Bei der Kartoffelernte wurden drei Frauen in der Herolder Gemarkung an der Kohlstraße von einem Flugzeug angegriffen. Sie ließen Fuhrwerk und Gerät stehen und flüchteten unter einen Baum. Drei Bomben fielen in ihren Kartoffelacker, warfen ihre Säcke und Körbe voll Erde und machten die weitere Arbeit überflüssig. Unmittelbar darauf fielen beim Bleidenbacher Hof elf Bomben an der Straße oberhalb des Weilers. Am 4.9. wurde der Bahnhof in Balduinstein von einem amerikanischen Jagdbomber mit Bordwaffen beschossen." Ein deutsches Jagdflugzeug Me 109 stürzte über Diez ab. Der Pilot wurde tödlich verletzt. 16 Sprengbomben fielen am 19.9. in den Freiendiezer Vorderwald. Dabei fand ein Freiendiezer Einwohner den Tod.U
Von den Abschußrampen im Westerwald wurden am 28. 9. 44 die ersten V 2-Geschosse abgefeuert. Aber erst der Wehrmachtsbericht vom 8. 11. 44 erwähnte die neue Wunderwaffe.w Am 3. und 15. Oktober fielen erneut Bomben auf Limburg, am 19.10.1) 5 Sprengbomben und 84 Brandbomben auf Nastätten. Ein Einwohner starb. Vier Scheunen brannten ab. In der Seidenfabrik entstand schwerer Sachschaden. Mehrere Wohnhäuser wurden beschädigt.'!'
Der Krieg rückte näher. Die Jahrgänge 1927 und kurz darauf 1928 wurden einberufen. Am 18. 10. wurde auf Befehl Hitlers der Volkssturm gebildet. Alle Männer und alle Jugendlichen, die noch nicht zur Wehrmacht eingezogen worden waren, mußten nun Kriegsdienst leisten. Dabei waren Hitlerjungen ab 12 Jahren, Kriegsversehrte, alte Männer. Am 12. 11. wurde dieser zusammengewürfelte Haufen in Nastätten vereidigt und war von nun an der Militärgesetzgebung genau so unterstellt wie die regulären Truppenangehörigen, hatte aber weithin weder Waffen, noch Uniformen, noch irgendwelche Logistik und Verwaltung. Ein Beispiel: Im März 1945 sollte eine Volkssturmeinheit Diez verteidigen. Sie war mit italienischen Gewehren ausgerüstet, für die es keine passende Munition gab. Ab September bis zum Dezember 1944 wurden neben dem Volkssturm Jugendliche und ältere Männer zum Arbeitseinsatz an die Westfront geschickt. Um die alliierten Armeen an der deutschen Grenze aufzuhalten, mußten sie dort Panzergräben und Schützenlöcher ausheben. Währenddessen saßen Nazibonzen und Jugendführer daheim, drückten sich auf schäbigste Art vor gefährlichen Einsatzen und "hielten die Heimatfront".
Die Arbeit daheim in den Bauernhöfen und vielen Handwerksbetrieben wurde derweil von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern getan. So waren z. B. in Kördorf 1944 75 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Frankreich, Polen, Rußland, der Ukraine, Holland und Italien eingesetzt.su Im Herbst 1944 häuften sich die Luftangriffe in unserer Gegend. Bei Bombenabwürfen am 10. November in der Nähe des Freiendiezer Friedhofs und im Katzenelnboger Wald an der Rintstraße entstand nur Flurschaden. Ein Bombentrichter ist im Katzenelnboger Walddistrikt 9 ("Vogelherd") heute noch zu sehen. Am 11. November waren zwei Jugendliche, Bauernsöhne aus Berghausen, bei der Feldarbeit am "Schulweg" , als aus bedecktem Himmel Bomben fielen, ohne daß man Flugzeuge sehen konnte. Wie durch ein
Wunder kamen beide unverletzt davon. In der nahegelegenen Weidgesmühle richtete die Druckwellen der explodierenden Bomben ziemlichen Sachschaden an. Nach dem Krieg warf man herumliegende Munition, Waffen und allerlei militärische Überbleibsel in die Bombentrichter in den Wiesen und schüttete sie zu. Dort liegt alles heute noch. Am 26. November wurden durch Bordwaffenbeschuß von Tieffliegern in Balduinstein 3 Lokomotiven beschädigt." Luftangriffe forderten am 2. 12. in Bad Ems 8 Tote, in Lahnstein 50.1) Am 12. 12.wurde Nastätten erneut angegriffen. Ein Haus stürzte ein und begrub alle Personen unter sich, die in ihm waren. Nur eine Frau, die gerade im oberen Stock ein Fenster öffnen wollte, überlebte.iü
Etwa zur gleichen Zeit stürzte bei Singhofen ein alliierter Bomber in den Wald, etwa dort, wo sich heute die Kreismülldeponie befindet. Alle Insassen kamen ums Leben. Mit einer Luftmine an Silvester endete das Jahr 1944. Sie fiel in Bornich in die Weiseier Straße und tötete 3 Einwohner.u
Das Kriegsjahr 1945 begann mit der ersten Bombardierung Nassaus am Neujahrstag. Zum zweiten Mal fielen dort am 1. Februar Bomben. Am 2. 2. traf der erste größere Angriff die Altstadt von Nassau. 42 Zivilisten und 75 Soldaten mußten dabei das Leben lassen; es gab 30 Verletzte und etwa 500 Obdachlose. Bei dem schwersten Angriff wurden am 19. März in Nassau 86 Menschen getötet.ö Auch ein Mann aus Kördorf kam ums Leben. Obwohl Nassau als Lazarettstadt ausgewiesen und gekennzeichnet war, benutzte die deutsche Wehrmacht 1945 den Nassauer Bahnhof als Umschlagplatz für den militärischen Nachschub, vor allem aber als
Bahnstation für die V 2-Raketen, die hier per Bahn transportiert und von Nassau aus mit Speziallafetten zu ihre Abschußrampen gefahren wurden. Es sollen tagelang in den Straßen Nassaus V 2-Raketen bis zu ihrem Abtransport gestanden haben. Daß das der amerikanischen Luftaufklärung nicht verborgen blieb, liegt auf der Hand. Die Luftangriffe waren die logische Folge.
Die Bedrohung durch Tiefflieger wuchs Anfang des Jahres 1945 für die Einricher zur alltäglichen, immer gegenwärtigen Todesgefahr. Jeder, der sich tagsüber im Freien aufhielt, mußte mit einem Jaboangriff rechnen. In Dörsdorf und Lollschied wurden Bauern bei der Feldarbeit mit ihren Kuhfuhrwerken mit Bordwaffen angegriffen. Die Tiere fanden dabei den Tod. Schulunterricht, Gottesdienste, Arbeit im Freien, Reisewege über Land z. B. zu Arztbesuch oder Amtsgeschäften wurden fast gänzlich unmöglich. Bereits seit 1942 waren deshalb von den zuständigen Ministerien Überlegungen angestellt worden, die Produktion kriegswichtiger Güter unter die Erde zu verlegen. Es wurde geplant, Industrieanlagen zum Bau von Jagdflugzeugen in Eisenbahntunnels und alten Bergwerken aufzubauen, darunter auch in die Stollen der Grube Zollhaus bei Mudershausen. Da aber hier noch das kriegswichtige Eisenerz gefördert wurde, sah man davon ab.
Am 16. 3. mußte in Holzhausen eine Goldene Hochzeitsfeier wegen Bordwaffenbeschusses abgebrochen werden.» Beerdigungen fanden früh am Morgen oder spät abends statt. Am 25. 3. wurden die Konfirmanden in Wasenbach morgens um 7 Uhr vorgestellt und konfirmiert. Am 23. 3. war in Holzhausen eine Beerdigung um 6 Uhr morgens. n Am 17.3. wurde der Planwagen der Bäckerei Plätzermühle auf der Bäderstraße am Langschieder Stock beim Brotausfahren von Tieffliegern beschossen. Eine l8-jährige Frau fand dabei den Tod. Sie verblutete. Ihr waren beide Beine abgeschossen worden. Am 27. 3. wurde in Klingelbach ebenfalls ein solcher
Bäckerwagen von Tieffliegern angegriffen. Offensichtlich hielt man die Planwagen für militärische Fahrzeuge. Bei dem Beschuß ging eine Scheune in Flammen auf. Am 19. 3. wurde in der Nähe des Köbeler Hofes bei Kördorf eine Versorgungskolonne der Organisation Todt (OT) von Tieffliegern angegriffen. Dabei wurden 19 Pferde getötet. Sämtliche Wagen wurden zerstört. Am 20. 3. schossen Tiefflieger das Forsthaus in Holzhausen in Brand. Eine Frau starb an den Brandverletzungen, die sie dabei erlitten hatte.ü Zwischen Steinsberg und Habenscheid wurden Bauern mit Pferdefuhrwerk auf der Fahrt nach Habenscheid von Jagdbombern bemerkt.
Sie konnten sich in Sicherheit bringen, ehe die Flugzeuge zum Angriff ansetzten. Die dabei abgeworfenen Bomben zerfetzten eine Gruppe von Obstbäumen am Weg nach Habenscheid. In Singhofen kam ein Bauer mit seinem Pferd durch Tieffliegerbeschuß ums Leben. Am 21. 3. beschossen amerikanische Jagdbomber Allendorf. Auf der Dorfstraße standen deutsche Militärfahrzeuge. Ein Haus wurde beschädigt, ein Allendorfer Einwohner verwundet.
Das wohl häufigste Ziel aller Jagdangriffe in der hiesigen Gegend war die Bahnstrecke zwischen Laurenburg und dem Cramberger Tunnel. Hier waren oft Züge mit Kriegsmaterial, Truppentransporten, militärischem Nachschub, V 2-Raketen abgestellt, tagsüber im Tunnel oder unter den dichten Baumkronen am Steilhang, unter dem Schutz von leichter Vierlingsflak. Bei einem Angriff fielen am 22. 2. drei Bomben auf Balduinstein, von denen zwei beträchtlichen Schaden anrichteten."
Je näher die Front rückte, desto mehr deutsche Soldaten kamen auf dem Rückzug in die Einrichdörfer. An 6. 2. gab es in Ackerbach Einquartierung deutscher Truppen bis zum Eintreffen der Amerikaner.27) Auch in Allendorf, Oberfischbach, Klingelbach, Reckenroth,
Attenhausen, Schönborn, Herold und Steins berg waren deutsche Soldaten untergebracht. Ihre Anwesenheit blieb natürlich nicht unbemerkt. Es kam zu Bombenangriffen auf Attenhausen und Schönborn und zu einem Tieffliegerangriff auf Herold am 12. 3. 45, bei dem eine Scheune in Brand geschossen wurde.
Am 25. 2. 45 mittags fielen bei einem gezielten Angriff auf Attenhausen vier Bomben ins Ortszentrum. Drei Häuser wurden zerstört.
Es gab 13 Tote und 7 Verletzte. Besonders tragisch schlug der Tod in der Familie Dillenberger zu, die sich gerade zur Konfirmationsfeier der Tochter versammelt hatte. Großmutter, Ehefrau und Tochter starben in den Trümmern ihres Hauses. Kurz vorher war eine Einheit der Waffen-SS, die sich einige Zeit in Attenhausen aufgehalten hatte, abgezogen. Zwei Jagdbomber des Typs „Lightning" sollen aus ihrem Verband, der in nordöstlicher Richtung flog, ausgeschert sein. Sie griffen Attenhausen an, warfen die Bomben ab und schlossen sich dann wieder ihrem Verband an.
Am 8. 3. wurde Schönborn mit etwa 20 Bomben belegt. Auf der Straßenkreuzung am Pfarrhaus waren kurz vorher deutsche Soldaten zu sehen gewesen. Ob sie das Ziel des Angriffs waren oder die Rampen der V-Stellungen im Wald, läßt sich nicht feststellen. Die Bombenkette fiel schnurgerade quer durch Schönborn vom Wiesengrund im Südwesten bis zum Ortsausgang im Nordosten. Ein Haus wurde vollkommen zerstört, mindestens 6 weitere Häuser wurden schwer beschädigt-v. Ein französischer Kriegsgefangener kam ums Leben. I)
Unterdessen ging der Bombenkrieg gegen die deutschen Städte verstärkt weiter und wurde zunehmend auch auf weitere Ziele militärischer Art ausgedehnt. Auch davon bekam der Einrich sein Teil ab. Anfang März 1945, wahrscheinlich nach dem 8. 3., versuchte ein Pulk amerikanischer Bomber aus großer Höhe einen Bombenteppich auf die V 2-Startrampen im Schönborner Wald zu legen. Alle Bomben verfehlten aber ihr eigentliches Ziel. Sie gingen zu einem Teil am Lahnhöhenweg zwischen Birlenbach und Hausen nieder.ü zu einem weiteren Teil in der Schönborner Waldabteilung 67 neben der Straße nach Steinsberg. Dort verursachten sie große Bombentrichter, die noch heute zu sehen sind.
Anfang Februar 1945, an einem Samstagmittag gegen 14 Uhr, stürzte ein englischer Bomber an der Brückenmühle unterhalb Ergeshausen ab. Er war unmittelbar vorher von einem deutschen Jagdflugzeug in Brand geschossen worden. Drei tote Insassen wurden von italienischen Arbeitern geborgen. Zwei Jahre später, als alliierte Kriegsopfer überall exhumiert wurden, um auf Soldatenfriedhöfen bestattet zu werden, befürchtete man in Herold und Ergeshausen politische Komplikationen oder gar Strafmaßnahmen, wollte sich auch dem Vorwurf der Pietätlosigkeit nicht ausgesetzt sehen und grub in einer gemeinsamen Aktion aller Einwohner die toten Flieger aus. Dann legte man die sterblichen Überreste in neue Holzsärge und bestattet sie erneut. Kurze Zeit später konnten sie dann der alliierten Umbettungskommission guten Gewissens übergeben werden.
Am 2. Februar und am 22. März starben in Nastätten bei Bombenabwürfen drei Personen. Eine Fabrik und mehrere Scheunen und Wohnhäuser wurden zerstört.i» Am 1. 3. stürzte ein weiterer englischer vierrnotoriger Bomber zwischen Rettert und Holzhausen ab und brannte aus. Die toten Besatzungsmitglieder wurden in Holzhausen beerdigt, bald nach Kriegsende aber nach England überführt.» Im März 1945 warf ein über Koblenz angeschossener amerikanischer Bomber bei Seelbach eine schwere Bombe ab, ehe er im Wald beim Köbeler Hof abstürzte. Von der Druckwelle der Explosion kam in Seelbach ein Kind durch Lungenriß ums Leben. 12)
Am 20. 3. wurde ein zweimotoriger amerikanischer Bomber ("Marauder") von einer deutschen Flakbatterie, die oberhalb von Obertiefenbach stand, vor der Stellung abgeschossen und stürzte zwischen Obertiefenbach und dem PohIer Wäldchen ins Feld. Ein Überlebender sprang mit dem Fallschirm ab, alle anderen Insassen verbrannten. Einige Tage lang traute sich niemand an das Flugzeugwrack, da das Feuer darin noch schwelte und immer wieder Munition explodierte. Auf dem Friedhof wurden zwar Gräber ausgehoben, eine Beerdigung der toten Amerikaner unterblieb aber, weil inzwischen das VIII. US-Korps einrückte und die Toten mitnahm.
Am 25. 3. fielen in KatzeneInbogen mehrere Bomben in der Nähe des Schlosses und töteten zwei Frauen.
In den ersten Märztagen wurde der Rhein unterhalb von Koblenz zur Frontlinie. Im Hunsrück wurde gekämpft. Nun wurde im gesamten westlichen Taunus der Volkssturm alarmiert. Hitlerjungen ab 12 Jahren, Kranke und Verwundete, Dienstuntaugliche, Behinderte, bisher von dem Wehrdienst zurückgestellte und ältere Männer wurden einberufen und an Waffen ausgebildet. Dabei geriet der Krieg zur Groteske. Volkssturmmänner aus KatzeneInbogen wurden an den Rhein nach Osterspay geschickt. Dort sollte eine neue Front aufgebaut werden. Der Retterter Volkssturm wurde ins Rupbachtal befohlen. Hier sollten die feindlichen Armeen aufgehalten werden, wenn sie die Lahn vom Westerwald her überschreiten sollten oder wenn sie von Westen her angriffen. Beide Abteilungen lösten sich vernünftigerweise auf. Die Flecker sahen nach dem Rheinübergang der 3. US-Army die Sinnlosigkeit ihrer Bemühungen ein und machten sich nachts zu Fuß auf den Weg nach Hause. Die Retterter wurden von ihrem Hauptmann nach Hause geschickt, warfen, als die Amerikaner kamen, in den Rupbachwäldern ihre Waffen weg und schlichen nachts quer durch den Einrich ins inzwischen amerikanische Rettert. Dort trafen sie frühmorgens am 29. 3. ein, konnten aber noch nicht zu ihren Familien, weil nachts dort völlige Ausgangssperre angeordnet war und kein Deutscher sich auf der Straße sehen lassen durfte. Sie verkrochen sich im ersten Gehöft in Scheune und Schuppen, warteten dort ab, bis am Tage die Retterter Leute für kurze Zeit ihre Wohnungen verlassen durften und gingen dann - hintenherum - nach Hause. In allen Ortschaften wurden an den Ortseingängen aus dicken Baumstämmen Panzersperren errichtet. Die Einwohner der meisten Dörfer waren jedoch so klug, die Stämme vor dem Einmarsch der ersten Panzer wegzuräumen, um ihr Dorf vor Zerstörung zu bewahren. Einen militärischen Wert hatten die Panzersperren in keinem Fall. Schützengräben wurden ausgehoben. Bei Mittelfischbach und Oberfischbach wurde ein Laufgraben neben der Straße angelegt. Ein Splitterschutzgraben begleitete auch die Straße von Rettert nach Holzhausen.su
Eine größere Anzahl von Hitlerjungen im Alter von 14 Jahren wurde in den letzten Tagen vor dem 28. 3. Zusammengetrommelt und sollte bei der Verteidigung eingesetzt werden. Einige Jungen aus Wasenbach und Biebrich flüchteten rechtzeitig und schlugen sich auf Schleich- wegen nach Hause durch, die anderen gerieten zwischen Mensfelden und Niederbrechen in Gefangenschaft und wurden nach einigen Tagen nach Hause geschickt.
Der 28. März 1945
In der Nacht zum 18. 3. 45 setzten deutschen Truppen von der linken Rheinseite bei Boppard über den Rhein. Es waren Teile der 6. Waffen-SS-Gebirgsdivision Nord. Im Frontabschnitt am Rhein zwischen Lahn- und Mainmündung erwies sich die Einheit als einziger einigermaßen kampffähiger Verband der 1. deutschen Armee unter General Foertsch. Außer der Gebirgs-Division, deren Stärke auf ein Viertel des vollen Bestandes geschrumpft war (noch 3700Mann), 17) bildeten einige Flakbatterien ohne Treibstoffreserven, ein Strafbataillon und mehrere Volkssturmeinheiten die ganze Erste Armee. Ihr stand zwischen Koblenz und Worms die 3. US-Army General Pattons gegenüber. Mit dem VIII. KorpS2) (Generalleutnant Middleton) setzte sie vom 25. 3. bis zum 28. 3. zwischen Lahnstein und St. Goarshausen an mehrern Stellen über den Rhein (Lahnstein, Boppard, Kamp, Ehrental, St. Goarshausen, Kaub).»
Bereits am 7. März war die Brücke bei Remagen einer Vorausabteilung der 1. US-Armee in die Hände gefallen. Ein Brückenkopf wurde gebildet, aus dem heraus das V. US-Korps am 25. 3. über den Westerwald vorstieß. Am 26. 3. wurde nach der Zerschlagung der deutschen Armeekorps Hitzfeld und Püchler sowie der 9. Panzerdivision und der 5. Fallschirm-Division die Lahn von Norden her bei Balduinstein, Diez und Limburg erreicht. Auf deutscher Seite löste sich der Kampf auf in das Sperren von Ortschaften, Brücken und Straßen. Die Führung war nicht mehr in der Lage, die Truppenbewegungen zu steuern.
Das gilt auch für den Einrich. Von Braubach her erreichten die US-Truppen am 26. 3. Dachsenhausen und Miehlen» und am 27. 3. Bad Ems, sowohl über die Denzerheide (1. US-Armee) wie auch über das Forsthaus (3. US-Armee). Ebenfalls am 27. 3. wurde über Schweighausen Nassau erreicht, Marienfels und Nastätten wurden eingenommen. Am Abend des 27.3. verlief die vorderste amerikanische Frontlinie etwa auf der Linie Nassau - Bergnassau - Berg - Hunzel - Pohl - Bettendorf - Buch. Am Vormittag des 28. März 1945 überschritten die US-Truppen in breiter Front die Bäderstraße. Bereits am Vorabend war ein Versuch, mit leichten Panzerstreitkräften über die Höhenstraße vorzustoßen, gescheitert. Eine deutsche Flak-Batterie mit 8,8-Kanonen hatte am 26. 3. oberhalb von Obertiefenbach zwischen Dorf- und Bäderstraße für den Erdkampf Stellung bezogen. Etwa gegen 17.00 Uhr tauchten, von Bettendorf her kommend amerikanische Panzerspähwagen aus dem Wald neben der Straße von Bettendorf zur Bäderstraße auf einem Waldweg auf. Der erste Panzerwagen wurde sofort beschossen, erhielt vier Treffer und brannte völlig aus. Daraufhin zogen sich die nachfolgenden gepanzerten Fahrzeuge zurück. Die Flak-Kanonen feuerten ihnen nach, nahmen auch das Dorf Pohl unter Feuer, in das die Amerikaner etwa zur gleichen Zeit eingerückt waren. Als Folge lag die BatteriesteIlung von nun an bis zum nächsten Morgen unter schwerem amerikanischen Artielleriefeuer, das zum Glück in Obertiefenbach kaum Schaden anrichtete. In der Nacht zum 28. 3. requirierten die Flak-Soldaten die letzten noch einsatzfähigen Pferde in Obertiefenbach, spannten sie vor ihre Lafetten und Wagen und rückten am Vormittag nach Osten ab. Einen Großteil der Wagen und Geräte ließen sie wenig später bei Oberfischbach im Wald zurück. Östlich von Katzeneinbogen stand noch einige Zeit nach der Kapitulation eine 8,8-Kanone auf einem Feldweg.
Am Abend des 27. 3. hatte das VIll. US-Korps, von Hunzel am Waldrand entlang fahrend, Pohl erreicht. Den ganzen März über waren in Pohl deutsche Soldaten einquartiert. Nun wurde das Dorf an der Bäderstraße mit seiner Kreuzung zur Durchgangsstation des deutschen Rückzuges. In großen Scharen hasteten deutsche Soldaten durch das Dorf. Geschütze, Pferdewagen, Fahrzeuge aller Art standen in den Ortsstraßen. Die meisten verschwanden in der Nacht zum 27. 3. Als am 27. 3. gegen Abend etwa um 17.00 Uhr amerikanische Panzer und Fußtruppen in Pohl einrückten und die Kreuzung zur Bäderstraße überquerten, wurden sie von Obertiefenbach
und Roth her beschossen, Flak-Granaten schlugen überall im Dorf ein. Mehrere Häuser wurden schwer beschädigt. Eine Pohler Einwohnerin, eine ältere Frau, wurde in ihrem Hof durch eine Granate fürchterlich zugerichtet und starb unter schrecklichen Qualen.
Zwei junge deutsche Soldaten, gerade von den Amerikanern aus den Kellern geholt und gefangenengenommen, wurden schwer verwundet. Die Amerikaner, die zu Fuß durch Pohl vorgingen, sprangen während des Artilleriebeschusses deckungssuchend in die KeIler zu den dort harrenden Pohlern. Hier und da schenkten sie dabei anwesenden verängstigten Kindern ein Stück Schokolade. Draußen auf den Straßen und vom Ortsrand her erwiderten die Amerikaner mit Panzerkanonen das Feuer. Nach und nach verstummten die deutschen Kanonen. Dafür rauschten die Granaten der amerikanischen Artillerie nun über die Köpfe der Pohler hinweg.eu
Am Vormittag des 28. 3. rückten die Streitkräfte des amerikanischen Angriffszentrums in Obertiefenbach ein. Hier teilte sich die Panzerkolonne: Eine Abteilung zog Richtung Niedertiefenbach. Dort hatten sich hinter der Kirchenmauer deutsche Soldaten verschanzt. Im Pfarrhaus soll eine Stabsabteilung oder Feuerleitstelle mit Funkgeräten gewesen sein. Zwischen Ober- und Niedertiefenbach fuhren die amerikanischen Panzer nebeneinander in einer Linie auf der Anhöhe auf und nahmen Pfarrhaus, Kirche und Dorf Niedertiefenbach in direkten Beschuß. Es gab Gebäudeschäden. Ein deutscher Soldat fiel. Er wurde später auf dem Friedhof in Niedertiefenbach beerdigt. Der Rest des deutschen Trüppchens flüchtete zum Hüttenwald bei Hof Bleidenbach. Die Niedertiefenbacher Turnhalle ging in Flammen auf. In ihr lagerte Versorgungsmaterial der deutschen Wehrmacht. Panzer fuhren durch alle Ortsstraßen.
Man holte die Ortseinwohner aus den Bunkern, in die sie sich geflüchtet hatten. Sobald sie konnten und durften, versuchten sie, für ihren eigenen Bedarf aus der brennenden Turnhalle zu retten, was zu retten war.
Auch von Pohl her zogen am Morgen des 28. 3. die Amerikaner mit aufgesessener Infanterie über Lollschied nach Niedertiefenbach.
Kurz vor Niedertiefenbach saß die Infanterie ab, schwärmte aus und marschierte in weit auseinandergezogener Schützenlinie über
die Wiesen und Felder nach Roth hoch, während die Panzer ihr Vorgehen absicherten. Kurz nach 11 Uhr erreichten sie Roth. Bei dem vorangegangenen Beschuß erlitt eine Frau im Hof der heutigen Rother Gastwirtschaft Kaiser schwerste Verletzungen durch eine Granate. Sie starb trotz aller Bemühungen eines amerikanischen Truppenarztes am nächsten Tag. Fast alle Häuser des kleinen Einrichdorfes wurden durch den Artilleriebeschuß beschädigt. Um die Mittagszeit vereinigten sich die durch Roth marschierenden Streitkräfte mit den von Niedertiefenbach weiterziehenden am Oberwald und bewegten sich dann auf der Straße am Hof Bleidenbach vorbei in Richtung Katzeneinbogen und Klingelbach.
Das amerikanische Kontingent, das am Vormittag in Obertiefenbach eingerückt war, hatte sich in zwei Marschkolonnen für die weitere Offensive geteilt. Während die erste nach Niedertiefenbach (s.o.) abschwenkte, marschierte die zweite über die alte Miehlener
Straße über den Göttersberg zur Ringmauer hoch und durch den Wald an der Weißeier Höhe vorbei zur Einmündung des Weges in die Rother Chaussee am heutigen Wanderparkplatz Weißeler Höhe. Hier trafen sie mit den von Roth und Niedertiefenbach kommenden Truppenteilen zusammen.
Nicht ohne Opfer unter der Zivilbevölkerung ging es in Holzhausen ab. Im Laufe des 27. 3. hatte eine weitere deutsche Flakbatterie mit 8,8-Kanonen am Friedhof Stellung bezogen und amerikanische Truppenbewegungen bei Bogel unter Feuer genommen. Alsbald lagen die Flakgeschütze und auch das Dorf Holzhausen unter gegnerischem Artilleriebeschuß. Ein polnischer Landarbeiter kam ums Leben. Gegen 19 Uhr schlug eine Granate im Pfarrhaus ein. Im Keller, in den sich 15 Menschen geflüchtet hatten, wurden 8 Holzhäuser Einwohner durch die explodierende Granate getötet. Allein aus der Familie des Kirchendieners Back starben dabei Mutter, Frau und Sohn, die Tochter wurde schwer verletzt. Am folgenden Morgen, Gründonnerstag, wurden die Toten vor der Kirche vorläufig bestattet. Erst am 29. April fanden sie ihre endgültige gemeinsame Ruhestätte auf dem Friedhof.»
Nach 10 Uhr etwa rollten am 28. 3. die ersten amerikanischen Panzer ins Dorf. Holzhausen wurde kampflos besetzt. Die deutsche Flak-Batterie war mit den Resten ihres Bestandes am frühen Morgen abgezogen. Für den Weitermarsch nach Osten teilten die Amrikaner ihre Kräfte in drei Marschkolonnen auf. Die Hauptstreitmacht marschierte über die alte Straße am Schwimmbad vorbei nach Rettert; eine zweite Kolonne zog durch das "Wehrholz" über die Höhe und erhielt dabei Unterstützung durch eine kleinere, von den über die Miehler Straße vorgehenden Truppen als Flankenschutz detachierte Abteilung, die über "die Hub" kam, die Panzer fuhren über die Bundesstraße.Pi Unterhalb Rettert hatte man an der B 274 eine Panzersperre errichtet. Jetzt räumte man sie in aller Eile zum größten Teil weg. Die Reste wurden von den amerikanischen Panzern umfahren. Französische Kriegsgefangene liefen
ihren Befreiern entgegen und machten ihnen deutlich, daß sich in Rettert kein deutsche Soldat mehr befand. Kurz nach 11 Uhr war Rettert in amerikanischer Hand.
Parallel zu dem Truppenteil, der über Holzhausen nach Rettert vorging, bewegte sich auf dem äußersten rechten Flügel ein weiterer über den alten Höhenweg der Hessenstraße und der Kohlstraße von Martenroth und Grebenroth her, überschritt die Bäderstraße oberhalb der heutigen Schaltgerätefabrik und drang durch den Wald am Römerkastell vorbei nach Osten vor. Über den sogenannten "Holzhäuser Weg" fahrend erreichte die Panzerspitze gegen 11 Uhr den Waldrand westlich von Laufenseiden, oberhalb des .Anspen", dort, wo heute ein Wanderparkplatz angelegt ist. Bald darauf war Laufenselden kampflos besetzt. Ein Teil dieses Truppenverbandes trennte sich von dem Gros und marschierte über den alten Höhenweg durch den Hahnwald weiter nach Eisighofen, das gegen 13 Uhr erreicht und besetzt wurde. Am Nachmittag des 28. 3. setzte der Laufenselder Flügel seinen Vormarsch nach Reckenroth
fort.22) Der Teil der US- Truppen, die Eisighofen eingenommen hatten, rückte über den Hausener Weg nachmittags bis nach Hausen über Aar vor.
Den äußersten linken Flügel des VIII. US-Korps bildete die Einheit, die etwa gegen 10 Uhr von Dornholzhausen kommend Singhofen erreichte und kurze Zeit später nach Attenhausen weiterzog. Kampflos wurde das Jammertal überschritten und gegen 11 Uhr Attenhausen besetzt. Von hier aus stieß die Truppe über die Landstraße nach Bremberg und Kördorf vor und erreichte beide Ortschaften in der Mittagszeit. Heute etwa sechzigjährige Bremberger, die damals noch Kinder waren, erinnern sich, daß am 28. 3. 45 nachmittags auf dem breiten Bremberger Dorfplatz zwischen Schofgassers Linde und dem Rathausplatz die amerikanischen Panzer standen. In einem der umliegenden Gehöfte lagen deutsche Soldaten, Versprengte, die von den Amerikanern hier gefangen genommen worden waren. Eine Nachbarsfrau versorgte sie mit Essen. Der amerikanische GI, der sie bewachte, schaute so lange weg. In der Scheune von Gemmers waren polnische und russische Zwangsarbeiter vor dem Eintreffen ihrer Befreier in großer Zahl zusammengetrieben worden. Sie wurden noch am Nachmittag wegegfahren. Im Bremberger Schulkeller lagerten Marketenderwaren der Wehrmacht. Vor dem Einrücken der Amerikaner wurde er von der Bevölkerung geplündert.
In Kördorf waren alle deutschen Soldaten am 27. 3. abgezogen. Um die Mittagszeit des 28. 3. näherte sich amerikanische Infanterie dem Dorf von Norden her. Oberhalb des Friedhofs und der Gärten fuhren die Amerikaner eine lange Reihe von Geschützen auf, die Rohre alle auf Kördorf gerichtet. Dann rückte die Infanterie von Lindeskopf her über die Hohl und den Totenweg in Kördorf ein.
Am Mühlweg hatten sich kurz vorher einige ältere Männer versammelt. Sie übten miteinander, im Sprechchor "I surrender" und "Nix Partei!" zu rufen. Ob die Sieger sich davon beeindrucken ließen, ist nicht bekannt. Allerdings wird von Augenzeugen berichtet, daß alle Offiziere und Mannschaften sich sehr umgänglich und human verhielten. Nachdem das Dorf von den Fußtruppen durchkämmt worden war, fuhr die Hauptkolonne über die Straße zur Rupbach weiter. Der Durchmarsch der starken motorisierten Truppen soll nach Augenzeugenberichten fast drei Tage gedauert haben. Von den Panzerketten wurde die Dorfstraße vollkommen aufgerissen. Während Panzer sie absicherten, ging abgesessene Infanterie über das Feld in Schützenlinie ausgeschwärmt nach Herold und erreichte das Dorf kurz nach 13 Uhr. Die Panzer fuhren von Kördorf nach Herold über die Straße. In Herold hingen überall weiße Fah-
nen. Panzersperren waren schon vormittags weggeräumt, deutsches Kriegsmaterial von den Ortsstraßen weggeschafft worden. Zwei versprengte deutsche Soldaten gingen in Gefangenschaft. Nach 14 Uhr fuhren die Panzer in großer Fahrzeugkolonne über die Kohl-
straße weiter nach Ebertshausen. Die französischen Kriegsgefangenen,die in Herold und Ergeshausen bei Bauern gearbeitet hatten, sollten vor Eintreffen des Feindes von ihren deutschen Bewachern in einem Sammeltransport nach Osten gebracht werden. Als die Wachleute dies den Gefangenen mitteilten, flüchtete alle gemeinsam in den damals noch niedrigen Jungwald am Grellgraben unweit der heutigen Grillhütte am Hang zum Jammertal. Dort versteckten sie sich. Im Hüttenwald am Dillenberg, gegenüber auf der anderen Seite des Jammertals, hielten sich noch am 28. 3. versprengte deutsche Soldaten, Angehörige der Waffen-SS und auch Volkssturmleute auf. An der Haustür oder im Hof der Dillenberger Mühle trafen einige der französischen Kriegsgefangenen mit den Leuten der Waffen-SS zusammen. Die Franzosen, jetzt in höchster Gefahr, wohl auch in Todesangst, versuchten, die Deutschen zu überreden, sich zu ergeben. Einer wollte einem deutschen Soldaten das Gewehr abnehmen, der jedoch riß die Waffe an sich und schoß. Ins Knie getroffen brach ein Gefangener zusammen, die anderen liefen davon. Der Verletzte schleppte sich bis nach Herold den Berg hoch. Berherzte Männer liefen nun mit weißen Fahnen zur Dillenberger Mühle, um weiteres Unheil zu verhindern, fanden aber niemand mehr dort vor. Nur einige Waffen lagen im Hof und im Hüttenwald.
Im Zentrum des Einrichs hatten sich die amerikanischen Angriffskolonnen im Wald zwischen Hof Bleidenbach und Obertiefenbach neu formiert und griffen aus dem Horstwald heraus über die Höhenwege massiv an.
In Oberfischbach war von Anfang Februar an eine deutsche Einheit einquartiert. Man richtete sich hier recht häuslich ein. Einige Soldaten ließen sogar ihre Familien zu sich kommen und besorgten ihnen Quartier. Am 27. 3. zog die deutsche Einheit ab. Dabei war auch eine Soldatenfamilie, deren kleiner, einjähriger Sohn an Lungenentzündung erkrankt war. Während Vater und Mutter des Kindes auf die abfahrenden Lastwagen sprangen, hielt die Frau, bei der sie gewohnt hatten, das fiebernde Kind auf dem Arm. Während der Abfahrt verstarb das Kind auf ihren Armen. Früh am nächsten Morgen wurde der Junge auf dem Oberfischbacher Friedhof beerdigt.V' Als das Trauergeleit den Friedhofsweg entlang das Dorf verlassen hatte, setzte heftiges Maschinengewehr- und Granatfeuer vom Waldrand oberhalb des Dorfes ein. Die Trauergäste flüchteten. Die Sargträger warfen sich in den Graben. Über ihre Köpfe hinweg gingen die Salven ins Dorf. Vier Scheunen gingen in Flammen auf. Viele Häuser wurden arg mitgenommen. An den vorrückenden amerikanischen Panzerkolonnen vorbei brachten die Sargträger das tote Kind zum Friedhof. Während die Amerikaner das Dorf einnahmen, loderten die Flammen aus den brennenden Scheunen, riesige Rauchwolken zogen über das Tal und versetzten auch die Nachbardörfer in Angst und Schrecken. Die Amerikaner erlaubten aber sofort den Oberfischbachern, die jetzt schnell ihre Keller verließen, mit allen Kräften zu löschen. So konnte ein Übergreifen des Feuers auf die Wohnhäuser verhindert und ein noch größere Katastrophe für das ganze Dorf abgewendet werden.
Weniger dramatisch ging es in Mitteltischbach zu. Die Amerikaner kamen kurz nach Mittag von Oberfischbach her unter Panzerschutz die Straße entlang und durchkämmten das ganze Dorf nach deutschen Soldaten. Die Einwohner flüchteten in ihre Keller. In einem Bauernhaus stand das Mittagessen gerade auf dem Tisch. Ein amerikanischer Soldat konnte nicht widerstehen, nahm Platz und ließ sich die Frikadellen schmecken. Die aus dem Keller wieder auftauchenden Hausbewohner fanden ihn satt und zufrieden am Tisch sitzen und ihre Pfanne leer.
Durch "die Horst" stießen die amerikanischen Panzerverbände auf zwei Wegen vor. Eine Angriffskolonne marschierte über den alten Bleidenbacher Weg ("Die alt Strooß") nach Klingelbach, die zweite drang über den Höhenweg zur "Dicken Buche" vor, die damals noch am Waldrand stand. Von hier aus hatte man völlig freies Schußfeld nach Katzeneinbogen und über das obere Dörsbachtal.
In und bei der Moorenmühle zwischen Mittelfischbach und Katzenelnbogen hatte sich der Rest einer deutschen Kampfgruppe eingenistet und eröffnete das Feuer auf die am Waldrand erscheinenden Amerikaner. Ebenso scheint deutsche Artillerie von Katzenelnbogen eingegriffen zu haben, vielleicht auch Reste der von Obertiefenbach und Holzhausen abgezogene Flakbatterien. Die prompte Antwort war heftiges Feuer von der Horst her aus allen Panzerkanonen und Unterstützung durch Artillerie, Dabei gab es an der Moorenmühle auf deutscher Seite sechs Gefallene. Sie wurden tags darauf auf dem Katzenelnboger Friedhof beigesetzt und später umgebettet. Drei Soldaten fielen an der Mühle, die drei anderen auf dem eiligen Rückzug über den Höhenrücken zur Itzhäuser Mühle im Dörsbachtal oberhalb von Katzenelnbogen. Bei dem Feuergefecht entstand erheblicher Sachschaden an den Häusern der Bastianstraße, Bahnhofstraße, Aarstraße, Mühlgasse in Katzeneinbogen und an den Gebäuden der Itzhäuser Mühle. Einschüsse waren noch nach Jahren am Schloß, den Burgmauern und dem Uhrtürmchen zu sehen. Im Einricher Heimatmuseum steht das von Kugeln durchlöcherte Zifferblatt der Schloßturmuhr. Kurz nach Mittag rückten die amerikanischen Panzer in Katzeneinbogen ein. Zusammen mit dem Fußvolk zog ein Teil über die B 274 von Mittelfischbach herein, der größere Teil von "der Horst" herunter über die Rother
Straße. Die Sieger quartierten sich in Katzeneinbogen ein. Die gesamte Aarstraße, Bahnhofsstraße, Bastianstraße und Untertalstraße mußten von den Bewohnern geräumt werden. In der Mühlgasse befand sich in Bremsers Eiskeller ein Versorgungslager der Wehrmacht. Am 26. und 27. März war KatzeneInboger Bauern befohlen worden, das Lager zu räumen und die Waren mit ihren Pferdefuhrwerken nach Zollhaus und Hahnstätten zu fahren. Die Flecker luden zwar auf und fuhren auch los, aber nur eins von den vielen Fuhrwerken kam auch in Hahnstätten an. Alle anderen schlugen sich vernünftigerweise unterwegs in die Büsche und kehrten um. Ein Landmann soll jahrelang Zigaretten einer deutschen Marke geraucht haben, die es nach dem Krieg nicht mehr zu kaufen gab.
Die oben erwähnte amerikanische Panzerkolonne, die den alten Bleidenbacher Weg durch die Horst genommen hatte, überschritt um die Mittagszeit den Dörsbach bei der Strickers-Mühle in Klingelbach mit Kettenfahrzeugen und aufgesessener Infanterie. Sie wurde dabei von deutschen Soldaten, die sich in Ebertshausen in der ersten nach Klingelbach hin gelegenen Scheune verschanzt hatten, beschossen. Daraufhin hagelte es Kugeln und Sprengprojektile aus Panzerkanonen und Maschinengewehren über Klingelbach hinweg auf den Ortsrand von Ebertshausen. An den Häusern verursachten die Einschüsse Schäden, die man noch lange sehen konnte. Ein alter Mann, der sich während des Beschusses aus Neugierde an das nach Klingelbach weisende Küchenfenster wagte, wurde tödlich verwundet.
In Klingelbach waren inzwischen alle Häuser mit weißen Tüchern versehen. Die Panzersperre unten im Dorf wurde abgeräumt. Wer keinen guten Keller hatte, flüchtete in den Bunker in der Diezer Straße . Die einmarschierenden amerikanischen GI forderten alle Insassen auf, den Bunker zu verlassen. Während die Leute mit erhobenen Händen neben dem Bunkereingang an der Felswand standen, von einer Schützenpanzerbesatzung mit MG bewacht, schossen andere mehrere Salven in den Bunker.
Im Oberdorf hatte sich ein Zug der Waffen-SS verschanzt. Als die amerikanische Panzerspitze auf der Diezer Straße die Höhe oberhalb der Schule erreicht hatte, wurde sie vom Oberdorf aus beschossen. Die Panzer erwiderten das Feuer mit schweren Bordwaffen. Das Gehöft Neeb ging in Flammen auf. Amerikanische Infanterie umzingelte die deutsche Stellung. Angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Lage ergaben sich die SS-Leute der Division Nord. Ihr Anführer, ein im Leutnantsrang stehender junger Offizier, erschoß sich hinter dem letzten Haus rechts der Lahnstraße. Er wurde auf dem Klingelbacher Friedhof beerdigt. Nach Ausschaltung dieses
Widerstandsnestes zogen die Amerikaner weiter nach Ebertshausen, das sie etwa um 14 Uhr erreichten. Ein deutscher Soldat, Angehöriger einer Pioniertruppe, der sich auf dem Fahrrad in Sicherheit bringen wollte, fuhr den Amerikanern direkt auf der Dorfstraße in die Arme oder genauer vor die Rohre. Als er auf Anruf nicht anhielt, endete sein Leben in einer MG-Garbe. Er liegt auf dem Ebertshäuser Friedhof begraben. Die amerikanischen Verbände zogen nun über die Kohlstraße zum Lohrheimer Stock und weiter durch den Wald ins Aartal.
Von KatzeneInbogen rückten die Amerikaner über die alte Hessenstraße an Hohlenfels vorbei über den Heideberg nach Hahnstätten und erreichten es gegen 16 Uhr. Bereits am Abend vorher hatte sich vor Hahnstätten von Diez her ein amerikanischer Panzer gezeigt. Jetzt, am 28. 3. abends, wurde Hahnstätten von Katzenelnbogen aus erobert und besetzt. Nur kurze Zeit später trafen auch von Diez her Panzer mit aufgesessener Infanterie in Hahnstätten ein.2l
Von der Hauptstreitmacht des VIII. US-Korps trennte sich eine stärkere Einheit an der Waldeslust und rückte über Berndroth und Ackerbach vor.
Das kleine Ackerbach war in den letzten Kriegstagen zu einem kleinen Heerlager geworden. In den Häusern wechselten ständig einquartierte deutsche Einheiten. Zwei Tage vor dem Einrücken der Amerikaner wurde Ackerbach Hauptverbandplatz. Das Wohnzimmer der Pfarrersfamilie diente als Operationssaal. Bei Petroleumlicht wurde operiert. Mit Pfferdefuhrwerken wurden auf Stroh gebettete Verwundete angeliefert. In der Kirche entstand ein Strohlager für die Verwundeten. Ein Gartenhäuschen wurde zur Apotheke.27l
Ackerbach, ca. 25. oder 26. 3. 1945. Ca. 300 französische Kriegsgefangene verlassen Ackerbach. unter spärlicher deutscher Bewachung
vor der näherrückenden Kriegsfront.
In der Nacht zum 28. März zogen alle deutschen Soldaten ab. Es gab aber noch andere Einquartierung: Vor der heranrückenden Front nach Osten ausweichend waren etwa 300 Kriegsgefangene Franzosen und Russen in Scheunen und Ställen untergebracht.
Auch sie mußten mit.27)
In Berndroth hatte man Panzersperren errichtet. Sie wurden schnell beseitigt. Französische Kriegsgefangene, die in Berndroth gearbeitet hatten; liefen den Amerikanern entgegen bis zur "Waldeslust" und baten um Schonung des Ortes. Um 13 Uhr wurde Berndroth kampflos besetzt. Um 13.30 Uhr erreichten die Amerikaner Ackerbach. Panzern folgte abgesessene Infanterie, die im Gänsemarsch von Berndroth her nach Ackerbach hangabwärts marschierte. Während der kleine Weiler nach Soldaten und Waffen durchsucht wird, ziehen auf der Straße nach Berghausen den ganzen Nachmittag über amerikanische motorisierte Verbände in Richtung Berghausen. In Berndroth und Ackerbach fällt kein Schuß mehr, niemand kommt zu Schaden.v"
Entlang der Straße nach Dörsdorf biegt eine amerikanische Abteilung im Dörsbachtal ab und erreicht Dörsdorf etwa um 14 Uhr. Von hier zieht sie weiter nach Rückershausen. Eine große Zahl von Panzerfahrzeugen und Soldaten überschreitet ungehindert die alte Berghäuser Brücke über den Dörsbach und besetzt Berghausen etwa um 14 Uhr, ohne daß es zu irgendwelchen Kampfhandlungen gekommen wäre. Ein Teil der Truppe zieht nach Allendorf weiter und trifft dort mit der von der Itzhäuser Mühle kommenden Nachbareinheit zusammen. Bei den Rückzugsgefechten, die sich die von der Moorenmühle zurückgehende deutsche
Einheit mit den nachdrängenden Amerikanern lieferte, fiel ein deutscher Soldat bei Allendorf am Sauerbornsberg. Er ist auf dem Allendorfer Friedhof beerdigt. Der Rest der Truppe ergab sich in Allendorf.
Das Gros der Angreifer bewegte sich von Berghausen aus weiter nach Bonscheuer und Mudershausen. Oben im Wald auf dem Sandkopf hatte die OT kurz vorher mit Vorbereitungen zum Bau von Abschußrampen für die V 2 begonnen, kam aber über allererste Arbeiten nicht hinaus. Links von der Straße sind im Wald kurz vor Bonscheuer noch Schützenlöcher zu sehen. Wer sie angelegt hat, ist unbekannt.
In Berghausen hält sich hartnäckig das Gerücht, im „Eichelgärtchen" sei kurz vor Eintreffen der US-Army ein deutscher Soldat standrechtlich erschossen worden, und auch dort begraben. Er soll noch da liegen.
Am späten Nachmittag des 28. 3. marschierten die Amerikaner, die den Wald in Schützenlinie durchkämmt hatten, in Bonscheuer ein.
Berghäuser Einwohner, die sich im Walddistrikt "Gronauer Eck" in einen alten Bergwerkstollen geflüchtet hatten, wurden von den Amerikanern entdeckt, herausgeholt, nach Waffen durchsucht und nach Hause geschickt. Die Nordgruppe des VIII. US-Korps hatte, wie oben geschildert, von Singhofen her über Attenhausen um die Mittagszeit Bremberg
und Kördorf erreicht. Den Unterlauf des Rupbach in seinem tief eingeschnittenen Tal zu überschreiten, kostete die Amerikaner Zeit und Menschenleben. Gegenüber lagen ihnen auf den Höhen von Steinsberg und in den Abhängen des Biebricher Burgkopfes, hauptsächlich am Neumühler Berg, ein bunter Haufen zusammengewürfelter deutscher Verteidiger: Versprengte reguläre Wehrmachtsangehörige, die Jugendstrafkompanie des berüchtigten Strafbataillons 999, ein Zug Feldgendarmerie - als Militärpolizei bekannt unter dem Namen "Kettenhunde" - eine Gruppe von Volkssturmleuten aus Rettert. Steinsberger Einwohner wissen noch von der unmenschlichen, brutalen Behandlung der Strafgefangenen durch das Wachpersonal zu berichten, von dem fürchterlichen Hunger, unter dem sie zu leiden hatten und den schrecklichen hygienischen Bedingungen. Die Retterter Volksstürmer wurden von dem Offizier, der hier die Befehlsgewalt hatte, einem Hauptmann des deutschen Heeres, nach Hause geschickt. Sie schlugen sich (s.o.) nach Rettert durch.
In Wasenbach baute man fieberhaft an einer besseren Splitterabsicherung des Luftschutzbunkers. Da der Bürgermeister am 27. 3. nicht zu finden war, schlug der damalige zweitwichtigste Mann im Dorf, der Ortsbauernführer, vor, die Baumstämme, die für den Bau
der Panzersperre vorgesehen waren, am Bunker zu verwenden. Während noch daran gearbeitet wurde, tauchte der Anführer der Militärpolizisten auf. Er vermißte sogleich die Panzersperre und verlangte barsch Auskunft, wer das angeordnet habe. Auf die Ant-
wort: "Der Ortsbauerführer!" kam sofort der Befehl: "Herbeischaffen den Mann! Der wird auf der Stelle wegen Sabotage erschossen!" Ein Nachbar des Ortsbauernführers jedoch, dem Bauernchef seit ewigen Zeiten spinnefeind, nahm den Karl beiseite und versteckte ihn bei sich. Niemand vermutete den Todeskandidaten bei seinem ärgsten Feinde. Niemand suchte deshalb dort nach ihm. So überlebte der Bauernführer. Die Feldgendarmen zogen ab nach Steinsberg und suchten dort noch nach zwei Steinsbergern, die sich von ihrer zerschlagenen, durch den westlichen Einrich flüchtenden Truppe abgesetzt hatten, fanden aber dank mutiger Hilfe von Einwohnern weder sie noch drei andere kriegsmüde Soldaten und verschwanden.
In der Nacht vom 27. auf den 28. 3. erschien ein kleiner Trupp deutscher Pioniere in der Bäckerei der Heckelmannsmühle im Rupbachtal, unweit der Rupbachbrücke nach Wasen bach gelegen, und verlangte nächst Quartier auch etwas zu essen. Die Bäckersfrau fragte den Unteroffizier, der die Pioniere anführte, was sie denn hier noch zu suchen hätten. "Wir sollen die Brücke sprengen," gab der Unteroffizier zur Antwort. Da sagte die couragierte Frau: "Wenn ihr die Brücke sprengt, kriegt ihr nichts zu essen! Entweder oder!" "Gesprengt muß werden. Befehl ist Befehl!" meinte der Anführer. "Aber wir haben seit gestern schon nichts mehr zu essen
bekommen. Deshalb deichseln wir das anders." Er schnürte ein kleines Sprengpaket, legte es auf die Brücke und zündete. Die Explosion schlug ein kleines Loch von etwa 40 cm Durchmesser mitten in die Fahrbahn auf der Brücke. Die Brücke selbst blieb ganz und gebrauchstüchtig. Die Pioniere aßen darauf mit gutem Appetit ihr wohlverdientes Essen und verschwanden. Am folgenden Tag rollten die amerikanischen Panzer über die "gesprengte" Brücke nach Wasenbach.
Von Bremberg und Kördorf aus versuchten die Angreifer, etwa gegen 15 Uhr über die ins Tal führende Straße ins Rupbachtal zu kommen. Von Bremberg fuhr eine Kolonne nach Gutenacker, besetzte es ohne auf Widerstand zu stoßen, fand aber anscheinend die
Straße von Gutenacker zur Rupbach ungeeignet für einen Kampfeinsatz von Panzern. Eine zweite Gruppe gepanzerter Fahrzeuge fuhr von Bremberg aus die Straße zur damaligen Gastwirtschaft Weiß im Rupbachtal hinunter. Im gegenüber steil ansteigenden Hang zum Bergkopf hatten sich deutsche Soldaten verschanzt und eröffneten mit panzerbrechenden Waffen das Feuer auf die ersten anrollenden Fahrzeuge. Mehrmals getroffen explodierte ein Panzerwagen und brannte aus. Die nachfolgenden Panzerfahrzeuge mit den aufgesessenen Fußtruppen kehrten um und zogen sich zurück. Der Biebricher Neumühler Berg wurde nun mehr als eine Stunde lang intensiv beschossen. Dabei fielen zwei deutsche Soldaten. Sie wurden später auf dem Bremberger Friedhof bestattet. Nach Aussagen anderer Zeitzeugen waren diese beiden Opfer aber bereits bei dem ersten Panzervorstoß erschossen worden.
Danach stießen die Amerikaner in einem zweiten Versuch über die „Langschied" zur Rupbach vor, fanden keinen Widerstand mehr und trafen um 17 Uhr in Wasenbach ein. Hier vereinigten 'sie sich mit der dritten Angriffskolonne, die von Kördorf aus über die Biebricher Rupbachbrücke und am Alten Weg entlang nach Biebrich vorgestoßen war. Das Fußvolk kam den Alten Weg herauf, die Kettenfahrzeuge und Mannschaftswagen fuhren die Straße hoch und trafen kurz nach 15 Uhr in Biebrich ein. Hier teilten sie sich. Eine Abteilung zog die ehemalige Kreisstraße entlang nach Norden ins Wasenbachtal, erreichte die Straße an der Einmündung des Schön-
borner Baches in den Wasenbach und bewegte sich gemeinsam mit der von Bremberg her angreifenden Abteilung die Straße hoch nach Wasenbach.
Die zweite Biebricher Abteilung marschierte über den "Seelepuhl" und „Bomchesgraben'' durch das Tälchen des Schaufertsbaches zum Hof Schauferts und dann nach Schönborn. Schönborn wurde etwa um 16 Uhr erreicht. Viele Häuser am östlichen und nördlichen Ortsrand mußten geräumt werden und wurden besetzt. Ein Großteil der Besetzer zog über die Straße weiter nach Wasenbach. Als die Panzer den Wald oberhalb von Wasenbach verließen, feuerten sie als Abschreckung eine Salve hoch über das Tal hinweg und fuhren dann kurz vor 17 Uhr nach Wasenbach hinein. Steinsberg, nach dem Abzug aller deutschen Soldaten völlig „militärfrei", wurde etwa 18 Uhr am Abend von zwei Amerikanern, "erobert", die in einem Jeep von Wasenbach heraufkamen.
Ein Teil der durch Schönborn vorgehenden Truppen stieß auf der Straße nach Birlenbach noch gegen Abend weiter nach Osten vor. Inzwischen waren von Diez und Limburg her amerikanische Panzerverbände der 1. US-Armee das Aartal entlang vorgestoßen. Am 27. 3. zeigte sich der erste amerikanische Panzer vor Hahnstätten, das aber erst am 28. März von Katzeneinbogen her eingenommen wurde. Damit war allen deutschen Truppen, die noch westlich der Aar operierten, der Rückzug abgeschnitten. Nach und nach sickerten einzelne Soldaten oder kleinere Gruppen aus dem großem Waldgebiet der Fuchsenhölle nach Osten heraus und ergaben sich in den Dörfern an der Aar den Siegern.
Alle deutschen Soldaten, die im Einrich gefangengenommen worden waren, wurden in ein großes Sammellager in den Wiesen bei Buch transportiert und später nach Frankreich verfrachtet. Einige von ihnen kamen erst zwei Jahre später nach Hause.
Am späten Abend des 28. März 1945 war für den Einrich der Krieg zu Ende. Doch es gab nachträglich noch drei Ereignisse zu beklagen. In Laufenseiden wurde durch einen Besatzer eine Frau vergewaltigt. In Roth erschlug ein befreiter russischer Zwangsarbeiter eine Frau, auf deren Hof er lange gearbeitet hatte. Bei Katzenelnbogen lagerte in einer Feldscheune Munition, Sprengstoff, Minen und Pioniermaterial aus deutschen Beständen. Als der Scheuneninhalt im Flecken bekannt wurde, liefen viele Leute dorthin, in der Hoffnung, etwas Brauchbares zu finden. Durch Unachtsamkeit kam es zur Explosion. Ein achtjähriger Junge aus Katzeneinbogen kam ums Leben. Zwei Männer überlebten schwerverletzt.
Quellennachweis
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- Rhein-Lahn-Freund 1984, Heimat jahrbuch Bad Ems 1984
- G. Damm: Unsere Heimat Balduinstein, Balduinstein 1992
- Leonhardt: Chronik der Gemeinde Bornich, Bornich 1988
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10 / R. Menche: Marienfels. Geschichte eines Dorfes, Marienfels
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21) Pfarrchronik Kördorf
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- A. Perabo: Kriegstage in Pohl, Pohl1988
- Schilp: 800 Jahre Ackerbach, Main; 1990
28 Standesamt Katzenelnbogen, Sterberegister Oberfischbach